Bei Selbstvornahme ist Frist zur Mängelbeseitigung unnötig

Um sekundäre Mängelrechte geltend zu machen, ist es nicht erforderlich, dass der Unternehmer erst nach Entstehen des Abrechnungsverhältnisses zur Mängelbeseitigung aufgefordert wird.

OLG Koblenz, Urteil vom 15. Dezember 2022,
Az. 1 U 516/22

Der Fall

Ein Bauträger errichtete eine Mehrfamilienhausanlage mit Eigentumswohnungen und forderte von den Erwerbern erfolglos die Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Sie verweigerten dies aufgrund streitiger Mängel. Die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) setzte anschließend fruchtlose Fristen zur Mängelbeseitigung. Nachdem Mängel teilweise behoben wurden, klagte die WEG die Erstattung der Selbstvornahme kosten bzw. Schadenersatz und Kostenvorschuss ein. In der letzten mündlichen Verhandlung erklärte die WEG vor dem LG Koblenz ausdrücklich, dass sie die Mängelbeseitigung durch den Bauträger endgültig ablehnt.

Die Folgen

Das LG Koblenz wies die Klage als unschlüssig ab. Erst durch Ablauf der Mängelbeseitigungsfrist ist ein Abrechnungsverhältnis entstanden, das die Abnahme ersetzt. Deshalb wäre nach Ansicht des Gerichts eine weitere Fristsetzung nötig gewesen, um die geltend gemachten sekundären Mängelansprüche nach § 634 BGB zu begründen. Nach dem Gesetzeswortlaut ist eine Nacherfüllungsfrist erforderlich; diese kann erst nach der Abnahme oder dem Entstehen des Abrechnungsverhältnisses gesetzt werden. Das OLG Koblenz teilt diese Auffassung nicht und hat die Sache zurück an das Landgericht verwiesen.


Was ist zu tun?

Nach drei Grundsatzurteilen des BGH (Az. VII ZR 301/13, Az. VII ZR 193/15 und Az. VII ZR 235/15) können Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach der Abnahme geltend gemacht werden. Ohne Abnahme ist das möglich, wenn die Erfüllung nicht mehr verlangt werden kann und ein Abrechnungsverhältnis entstanden ist. Dafür genügt es, dass der Besteller deutlich macht, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer zusammenarbeiten zu wollen, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat. Maßgebend für die Geltendmachung der Sekundärrechte ist nach der Rechtsprechung des BGH die Fälligkeit der Werkleistung, hier also die Aufforderung des Unternehmers zur Abnahme.

Eine anschließende Mängelbeseitigungsfrist muss gesetzt werden, genügt aber auch. Wäre eine weitere Frist nötig, würde das zu einem nicht auflösbaren Wertungswiderspruch führen: Wenn die Begründung des Abrechnungsverhältnisses zunächst eine endgültige Ablehnung der weiteren Zusammenarbeit erfordert, kann nicht verlangt werden, dem Unternehmer anschließend eine weitere Frist zu setzen. Die Grundsatzentscheidungen des BGH zu den sekundären Mängelrechten erfordern eine weiterreichende Ausdifferenzierung in der Rechtsprechung, die Unternehmer wie Auftraggeber beachten sollten.

 

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Rechtsanwalt Roger Wintzer
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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