Betriebskosten
Erstellung einer Nebenkostenabrechnung – Ist-Vorschüsse ./. Soll-Vorschüsse und die Folgen im Prozess.
Merke: Erstellen Sie Ihre Nebenkostenabrechnungen weiterhin auf der Grundlage der tatsächlich gezahlten Vorschüsse!
Liebe Asset-, und Property-Manager,
liebe Eigentümer und Kapitalanleger,
unsere tägliche Praxis und forensische Erfahrung gibt uns Veranlassung zu diesen Ausführungen und führt uns zu einer Problematik, die seit dem 01.09.2001 besteht. Der Hut ist beinahe alt, etwas kompliziert, fast langweilig und leider dennoch von großer praktischer Relevanz. Vielleicht nehmen Sie sich zehn Minuten Zeit.
I. Unterschiedliche Prozessverläufe denkbar
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (u.a. VIII ZR 258/09 + VIII ZR 133/10) und des Kammergerichtes (u.a. 8 U 29/14) können Nebenkostenvorschüsse im Grundsatz nur bis zum Eintritt der Abrechnungsreife verlangt werden, was folgendes Beispiel erhellen soll. Es klagt der Vermieter gegen seinen Mieter auf Zahlung der offenen Nebenkostenvorschüsse der Monate Januar bis einschließlich Juni 2015 in der Höhe von 6 x 300,00 € = 1.800,00 € (Ausgangsfall):
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Wenn der Vermieter nun am 01.07.2015 Klage auf Zahlung dieser Vorschüsse erhebt und der Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem 31.12.2016 liegt, können die Ansprüche durchgesetzt und tituliert werden (unproblematischer Prozessverlauf und Variante 1).
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Zieht sich derselbe Rechtsstreit indes in das Jahr 2017 hinein (z.B. weil der Mieter gegen das erstinstanzliche Urteil vom 30.11.2016 Berufung eingelegt hat) so ist die Vermieterin gehalten, die ursprünglich zulässige und begründete Klage hinsichtlich der Vorschüsse aus 2015 für erledigt zu erklären (Prozessverlauf Variante 2).
Dieses Zwischenfazit zu zwei außer unserer Einflussnahme liegenden alternativen Prozessverläufe wird Sie womöglich nicht überraschen.
II. Ist- ./. Soll-Vorschüsse
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Wie Ihnen bitte im Ausgangspunkt auch weiter bewusst sein sollte, sind in einer von Ihnen zu erstellenden formell und materiell zutreffenden Nebenkostenabrechnung grundsätzlich die tatsächlich von dem Mieter in dem Abrechnungszeitraum erbrachten Vorschüsse (sog. Ist-Vorschüsse) einzustellen (vgl. BGH VIII ZA 2/08, VIII ZR 240/10 + KG 8 U 29/14).
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Die Problematik in Ihrer Verwalterpraxis entsteht vor diesem Hintergrund dann, wenn Ihre Nebenkostenabrechnung des selben Objektes und selben Jahres 2015 parallel insoweit materiell fehlerhaft ist, als sie statt der tatsächlich erbrachten Nebenkostenvorschüsse (sog. Ist-Vorschüsse) die mieterseits geschuldeten (sog. Soll-Vorschüsse) berücksichtigt. In diesem Fall stellt sich das Abrechnungsergebnis für den Mieter um den Betrag der nicht erbrachten Vorschüsse zu günstig dar.
Das Fiasko der Vermieterseite in der obigen Variante 2 besteht nun darin, dass der Vermieter die nicht erbrachten Nebenkostenvorschüsse im Jahr 2017 weder als nicht erbrachte Sollvorschüsse verlangen kann (weil diese nach Abrechnungsreife nicht mehr verlangt werden können), noch aus der Nebenkostenabrechnung des Jahres 2015 (weil diese im Licht des § 556 III 3 BGB nach Ablauf der Ausschlussfrist nicht mehr zu Lasten der Mieterseite korrigiert werden darf).
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Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH (Einzelfallentscheidung per Versäumnisurteil VIII ZR 108/02) wurde eine Abrechnung auf der Grundlage von Sollvorschüssen ausnahmsweise und nur in einer konkreten Situation für zulässig erachtet, in der ein Mieter bis zur Abrechnungserstellung für den betroffenen Zeitraum keinerlei Vorschüsse erbracht hatte, die Vorschüsse von dem Vermieter bereits eingeklagt waren und noch keine Abrechnungsreife eingetreten war. Dort hatte der BGH die Ausnahme der Zulässigkeit des Vorgehens damit begründet, dass für den Mieter klar ersichtlich gewesen sei, was er gezahlt habe und was gefordert werde.
Hieraus schlussfolgerte das Kammergericht dann später in einem Beschluss vom 16.06.2014, dass eine Abrechnung auf der Grundlage der Soll-Vorschüsse nur dann formell und materiell ordnungsgemäß sei, wenn die Vorauszahlungen für den betreffenden Zeitraum zuvor eingeklagt und tituliert worden sind (KG 8 U 29/14).
III. Schlussfolgerungen/Handlungsempfehlung
Daraus sind für Sie folgende Schlüsse zu ziehen:
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Wir können Ihnen auch weiter nur dringend anraten, Ihre Nebenkostenabrechnungen alle auf der Grundlage der tatsächlich erbrachten sog. Ist-Vorschüsse zu erstellen!
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Sollte Ihnen dies nicht möglich sein und Sie (z.B. aus EDV-Gründen) ausschließlich in der Lage sein, nach Soll-Vorauszahlungen abzurechnen, so sollten Sie dies mit Blick auf BGH VIII ZR 133/10 innerhalb der Abrechnung unbedingt kenntlich machen. Zudem sollten Sie die die Abrechnung innerhalb der Abrechnungsfrist korrigieren und dem Mieter erneut zustellen (zur Zulässigkeit einer Korrektur innerhalb der Abrechnungsfrist: Schmidt-Futterer/Langenberg, 12. Aufl. 2015., zu § 556 BGB, Rn. 397 m.w.N.).
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Zudem gilt im Notfall für den Prozessbevollmächtigten:
Sind die Nebenkostenvorschüsse durch Zeitablauf und Eintritt der Abrechnungsreife (hier im Beispiel der Vorschüsse aus 2015 in Variante 2: Erreichen des Jahres 2017 vor Schluss der mündlichen Verhandlung) nicht mehr durchsetzbar und erweist sich die Nebenkostenabrechnung des Jahres 2015 als materiell fehlerhaft, weil die Soll-Vorschüsse eingestellt sind, so kommt ein Hinweis an das Gericht auf BGH VIII ZR 261/06 in Betracht. Nebenkosten bis zu dem Betrag noch geschuldeter Vorauszahlungen kann der Vermieter nach jener Entscheidung auch aufgrund einer nach Ablauf der Abrechnungsfrist erteilten Abrechnung geltend machen. Begrenzt auf die Höhe der vereinbarten Vorschüsse soll es sich dabei nicht eine Nachforderung i.S.d. § 556 III 3 BGB handeln. Der Vermieter sollte daher zumindest darum bemüht sein, die tatsächlich angefallenen (und durch die Betriebskostenabrechnung zu belegenden) Kosten bis zur Höhe der geschuldeten Vorschüsse durchzusetzen.
IV. Ausblick
Diese seit Jahren bestehende rechtliche Problematik kann und wird sich hoffentlich eines Tages durch eine BGH Entscheidung zu Gunsten eines Vermieters auflösen und den praktischen Belangen eines Berufshausverwalters Rechnung tragen. Wir erwarten, dass der BGH womöglich einen Weg einschlagen wird, nachdem eine Abrechnung auf der Basis von Soll-Vorschüssen dann nicht zu beanstanden sein könnte, wenn diese als solche kenntlich gemacht oder jedenfalls erkennbar sind. Bis dahin beschreiten Sie den sichersten Weg für den Eigentümer nur mit der Einstellung von Ist-Vorschüssen in Nebenkostenabrechnungen. Die bisher von uns für Sie zitierten instanzgerichtlichen Urteile (wie z.B. des LG Berlin, Urteil vom 10.06.2011, 65 S 62/11) bröckeln.