Ist ein Gewerbemieter während der Dauer des Lockdowns zur Fortzahlung der Miete verpflichtet?

Aktuell aus München. Corona.  Hinweisbeschluss des OLG München vom 17.02.2021 zu 32 U 6358/20

Der nächste OLG-Senat: Auf eine Berufung gegen eine Entscheidung des Landgerichts München II vom 06.10.2020 zu 13 O 2044/20 meldet sich nun das OLG München mit einem Hinweisbeschluss an die Parteien vom 17.2.2021 zu Wort. Nach Auffassung des Senats führe die pandemiebedingte Betriebsuntersagung in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum des 1. Lockdowns vom 18.3.2020 bis zum 27.4.2020 zwar nicht zu einem Mangel der Mietsache. Es liege auch kein Fall der Unmöglichkeit vor. Ein Anspruch auf eine Anpassung des Mietvertrages könne sich allerdings aus § 313 BGB ergeben.

Voraussetzungen einer Anpassung: Ob ein solcher Anpassungsanspruch z.B. auf eine Herabsetzung oder Stundung der Miete gerichtet sei, könne allerdings nur anhand der Prüfung des Einzelfalls erfolgen. Es sei eine umfassende Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände erforderlich; auch der Vorteile die der betroffenen Partei neben den Nachteilen aus den eingetretenen Veränderungen erwachsen seien. Dabei seien auch die gesetzgeberischen Maßnahmen zu berücksichtigen.

Der Senat stellt ausdrücklich klar, nicht etwa der Auffassung zu sein, dass eine Herabsetzung der Miete nach einem objektiven Schema erfolgen könne; wie beispielsweise einer hälftigen Herabsetzung unter vorheriger Anrechnung von tatsächlich erfolgten oder nur möglichen Hilfeleistungen. Denn dann würde die Vertragsanpassung lediglich an die Stelle einer Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB treten, bei der es auf die Unzumutbarkeit der Zahlung der vollständigen Miete für den Mieter nicht ankomme.

Gerade die wirtschaftlichen Situationen beider Mietvertragsparteien seien daher im Einzelnen zu betrachten, wie z.B. die Dauer des Mietverhältnisses und der Umsatz und Gewinn der letzten Jahre sowie die daraus etwa resultierende Möglichkeit zur Rücklagenbildung. Da die wirtschaftliche Situation des Mieters zu berücksichtigen sei, könne es bei einem Konzern sogar auf die Konzernmutter ankommen. Eine schematische Betrachtungsweise verbiete sich.

Anmerkung: Auch nach unserer rechtlichen Bewertung ist die Heranziehung der Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer streitigen Gerichtsentscheidung geboten; sie folgt aus der Rechtsnatur des § 313 BGB und wird benötigt zur Berücksichtigung des Ausnahmecharakters der Vorschrift. Dabei bedauern wir diese rechtliche Überzeugung aus Praktikersicht vor dem Hintergrund, dass dadurch Verhandlungen zäh, unübersichtlich, zeitaufwendig und verbissen werden können.

Für eine schematische und quotale Herabsetzung möchte sich der Senat also nach dessen Vorberatung in diesem laufenden Verfahren nicht aussprechen. Diese Tendenz ist rechtlich geboten (siehe zuvor), überzeugend (gerade in Abgrenzung zum Minderungsrecht) und praktisch nachvollziehbar, wie wir meinen. Denn man stelle sich nur den Fall vor, in dem ein Mieter z.B. während des Dezember 2020 im zweiten Lockdown 70 % der Fixkosten/Miete vom Staat erstattet erhält, Kurzarbeitergeld bezieht, keine Ausgaben hat und zusätzlich pauschal die Miete um 50 % mindern können sollte.

Appell: Dessen ungeachtet können wir nur allen Mietvertragsparteien im Rahmen jeder Verhandlung anraten, offen aufeinander zuzugehen und Haarspaltereien hinten anzustellen, um das Mietverhältnis aufrechtzuerhalten. Ein bis zum 1. Lockdown guter Mieter mit der bis März 2020 geschuldeten Miete wird sich vermutlich nach dem 2. Lockdown nicht so schnell ersetzen lassen.

Rechtsanwalt Frank Weißenborn
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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