Mangelbeseitigung kann auch Abriss und Neubau bedeuten
OLG Stuttgart, Urt. v. 09.07.2019, Az. 10 U 14/19
Der Fall
Die Kläger beauftragten eine Architekten-GbR und ein Bauunternehmen mit der Planung und Errichtung eines Einfamilienhauses. Der Keller war laut Planung und Leistungsverzeichnis der Architekten wasserundurchlässig als „weiße Wanne“ herzustellen, und unter der Bodenplatte sowie seitlich an den Fundamenten sollte lückenlos eine Dämmung aus geschlossenzelligem extrudierten Polystyrol (XPS)eingebaut werden. Nach der Fertigstellung nahmen die Auftraggeber die Bauleistungen ab. Etwa ein halbes Jahr später rügten sie Wassereinbrüche im Keller und dass eine falsche Dämmung aus expandiertem Polystyrol (EPS) unter der Bodenplatte verwendet wurde. Die Bauherren setzten dem Bauunternehmen – vergeblich– eine Frist zur Mangelbeseitigung.
Die Folgen
Das Bauunternehmen und die Architektenmüssen den Klägern gesamtschuldnerisch den Kostenvorschuss für Abbruch und Neubau des Hauses zahlen sowie die bereits entstandenen mangelbedingten Kosten ersetzen. Der Einwand, ein Neubau sei unverhältnismäßig, ist nur dann gerechtfertigt, wenn es unter Abwägung aller Umstände ein Verstoß gegen Treu und Glauben wäre, auf die ordnungsgemäße Vertragserfüllung im Verhältnis zu den dafür erforderlichen Aufwendungen zu bestehen. Das ist in der Regel nicht der Fall, wenn der Auftraggeber objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung hat, z.B. weil die Funktionsfähigkeit des Werkes erheblich beeinträchtigt ist. Bei der Interessenabwägung sind die vertragliche Risikoverteilung und das Ausmaß des Verschuldens des Auftragnehmers zu berücksichtigen. Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit kann nicht dazu führen, dass der Auftraggeber im Rahmen der Nacherfüllung ein vertraglich nicht geschuldetes Werk akzeptieren muss. Aus dem baurechtlichen Kooperationsgebot folgt nichts anderes. Zudem hätte im Rahmen der Bauüberwachung erkannt werden müssen, dass falsch gedämmt wurde. Denn bei Abdichtungs-, Dämmungs- und Isolierungsarbeiten und in allen Bereichen der Bauphysik besteht eine gesteigerte Überwachungspflicht.
Was ist zu tun?
Nachlässige oder sogar bewusste Abweichungen von der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit können für das Bauunternehmen und den bauüberwachenden Architekten teuer werden. Denn der Auftraggeber muss sich in der Regel nicht mit einer abweichenden Beschaffenheit zufriedengeben, nur weil die Mangelbeseitigung aufwendig wäre oder eine Neuherstellung erfordern würde. Dass die Abnahme bereits erfolgt ist, ändert nichts, wenn der Mangel zu dem Zeitpunkt nicht bekannt war. (redigiert von Anja Hall)
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Rechtsanwalt Roger Wintzer
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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